BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Bad Bramstedt

Segeberger Pflegetag am 15.10.2025

Rede des stv. Kreispräsidenten

16.10.25 –

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, geschätzte Pflegekräfte und pflegende Angehörige,

als ich vor wenigen Wochen vor der Herausforderung stand, für meinen Vater ein geeignetes Pflegeheim zu finden, wurde mir eines klar: Pflege ist keine abstrakte politische Frage – sie ist zutiefst persönlich und betrifft uns alle. Heute oder morgen, direkt oder indirekt. Meine Familie und ich stehen genau vor den Fragen, über die wir hier sprechen: Wie finden wir einen würdigen Platz? Wie bewältigen wir die emotionale und finanzielle Belastung? Wie bleiben wir trotz räumlicher Trennung verbunden?

Diese Erfahrung hat mir noch einmal deutlich gemacht: Wir brauchen nicht nur theoretische Konzepte, sondern praktische Lösungen für die Pflege in unseren Kommunen. Und genau darum geht es beim heutigen Segeberger Pflegetag.

Der Landtag von Schleswig-Holstein hat am 9.10. einen historischen Schritt getan: Die Ergänzung des Artikels 8 unserer Landesverfassung verankert den Schutz pflegebedürftiger Menschen und pflegender Angehöriger als Verfassungsauftrag. Das Land verpflichtet sich, eine Versorgung zu fördern, die ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Diese Worte müssen wir nun mit Leben füllen – hier bei uns im Kreis Segeberg. Aber es bleibt auch Aufgabe der Landespolitik, für mehr Personal zu sorgen. Der Zugang zu entsprechenden Aus-und Weiterbildungsangeboten muss auch für migrantische Menschen und Quereinsteiger erleichtert werden und die Anerkennung ausländischer Fachabschlüsse muss endlich beschleunigt werden.

Die Zahlen sind eindeutig: In Schleswig-Holstein leben rund 176.000 pflegebedürftige Menschen. Über 80 Prozent werden zu Hause von Angehörigen versorgt. Diese stille Mehrheit der Pflegenden braucht unsere Unterstützung – nicht irgendwann, sondern jetzt.

Als Kommunalpolitiker sehe ich drei zentrale Handlungsfelder, in denen wir als Kommunen aktiv werden müssen:

Erstens: Wir müssen Pflegestrukturen vor Ort stärken. Der 9. Altersbericht der Bundesregierung betont: "Der Ausbau gesundheitsfördernder Quartiere trägt entscheidend dazu bei, Lebensqualität und Teilhabe älterer Menschen zu verbessern." Das bedeutet konkret: Wir brauchen barrierefreie öffentliche Räume, kurze Wege zu Versorgungseinrichtungen und bezahlbaren, altersgerechten Wohnraum. Wir müssen Pflegewohngemeinschaften fördern und Tagespflegeeinrichtungen in zentraler Lage schaffen.

Zweitens: Wir müssen die Hauswirtschaft als Säule der Pflege anerkennen und aufwerten. Es ist ein Skandal, dass Hauswirtschafterinnen, die für Ernährung, Sauberkeit und Wäsche sorgen, deutlich schlechter bezahlt werden als andere Pflegekräfte. Ohne sie können viele Menschen nicht in ihrem Zuhause bleiben. Als Kommunen müssen wir uns für eine faire Bezahlung und die Anerkennung dieser Berufe einsetzen. Der Beruf/Berufung Hauswirtschaft muss auch endlich in den Pflegekanon und den Pflegetarif aufgenommen werden.

Drittens: Wir brauchen eine Caring Community – eine sorgende Gemeinschaft. Wenn Mitarbeitende von ambulanten Pflegedienste Knöllchen zahlen müssen, während sie Patienten versorgen, läuft etwas grundlegend falsch. Wenn Mitbürger ihre Nachbarn nicht grüßen und sich nicht zuständig fühlen, verlieren wir den sozialen Zusammenhalt, den Pflege braucht. Hier sind wir als Kommune gefordert: Mit Parkausweisen für Pflegedienste, mit der Förderung von Nachbarschaftsinitiativen, mit einer Kultur des Miteinanders.

Die Verfassungsänderung gibt uns als Kommunen mehr Möglichkeiten, die häusliche Pflege in den Mittelpunkt zu rücken. Das bedeutet nicht nur eine gut ausgebaute Infrastruktur, sondern auch wirksame emotionale Entlastung für Angehörige, die oft an der Grenze ihrer Belastbarkeit stehen.

Lassen Sie mich konkret werden: "Hier in Segeberg sagen wir 'Moin', wenn wir uns im Treppenhaus begegnen." "Hier in Segeberg halten wir zusammen und unterstützen uns gegenseitig." Das klingt simpel, ist aber der Grundstein für eine funktionierende Pflegegemeinschaft. Wir brauchen Kümmerer, hier ist der Kreis aktiv und auch unserer Ziele des Kreises bestärken dies.

Wir brauchen verkehrsberuhigte Wohngebiete und Innenstädte, Rollstuhl-Taxis und abgesenkte Bordsteine. Und wir brauchen dringend Wohnraum für Pflegekräfte.

Aber ich sage auch: Soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung gehören zusammen. Eine nachhaltige Kommune ist eine, in der alle Generationen gut leben können. In der Mobilität für alle gewährleistet ist – auch für Menschen mit Rollator oder Rollstuhl. In der Einsamkeit aktiv bekämpft wird – durch lebendige Quartiere und Begegnungsorte.

Meine eigene Erfahrung mit der Pflege meines Vaters hat mir gezeigt: Wir brauchen nicht nur mehr Pflegeplätze, sondern vor allem bessere Pflege. Pflege, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Selbstbestimmung ermöglicht, wo immer es geht. Die Teilhabe fördert, statt auszugrenzen.

Ein selbstverständlicherer Umgang und sichtbare Einrichtungen für Menschen mit Pflegebedarf verbessern die Akzeptanz in der Bevölkerung und senken die Hemmschwelle für dien Beschäftigung mit dem Thema Pflege. Zum Beispiel liefert ein inklusives Spielgerät niedrigschwellige Gesprächsanlässe zwischen Kindern und Eltern. Ein offener Tanztee bringt Demente und Nichtbetroffenen zwanglos miteinander in Kontakt.

Ich möchte mit einem Appell schließen: Lassen Sie uns die Pflege aus dem Schatten holen. Lassen Sie uns offen über die Herausforderungen sprechen – und gemeinsam Lösungen finden. Als Kreispolitiker verspreche ich Ihnen: Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der Kreis Segeberg ein Vorbild für menschenwürdige Pflege wird.

Denn wie eine Gesellschaft mit ihren Schwachen umgeht, zeigt ihren wahren Charakter. Und ich bin überzeugt: Unser Charakter hier in Segeberg ist stark genug, um niemanden zurückzulassen. Packen wir es gemeinsam an!

Vielen Dank.

Dr. Gilbert Sieckmann-Joucken

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